Orientierung im Wirrwarr der Zeit - sich von der Liebe Gottes nicht trennen lassen!

Die religiöse Verwirrung nimmt heute überall zu, damit aber auch die Frage nach der Wahrheit im theoretischen wie im praktischen Sinn. Es geht dabei um die Grundfragen des Menschen, nämlich: was ist wahr, d.h. was kann und soll ich glauben? Und: wie soll ich richtig und gerecht handeln?
Ein gutes, Sinn-volles Leben zu führen bedeutete und bedeutet für den Menschen zu allen Zeiten ein Wert-volles Leben. Dabei ist die Wertfülle nur dann wirklich gegeben, wenn das Leben nicht bei untergeordneten Werten stehen bleibt, die selbst ihr Wert-Sein nur in Abhängigkeit von höheren Werten erhalten.
Als Geist-Wesen ist der Mensch dabei immer auf den höchsten Wert verwiesen, auf Gott selbst, der den Menschen zur Realisation der Vernunft herausfordert und anregt. Ohne die Beantwortung der Frage nach dem Guten und ohne die Verwirklichung von Güte, was letztlich Verwirklichung von Vernunft bedeutet, bleibt menschliches Leben unerfüllt, leer und langweilig, letztlich sogar völlig finster, sinnlos und lebensunwert, weil ohne letzten und wirklich erfüllenden Wert.
Hier zeigt sich die Herausforderung der Gottebenbildlichkeit des Menschen, die ihn vom Tier unterscheidet. Der Mensch kann sich niemals nur wie die Tiere mit dem Fressen und dem instinkthaften Tun begnügen, sein Blick geht schon von seiner Körperhaltung her von der Erde hinauf zu etwas Höherem. Er steht zwar mit den Füßen auf der Erde, aber sein Herz und sein Sinn weisen über diese hinaus auf die Unendlichkeit, auf den Himmel, auf die Vollkommenheit.
Schmerzlich und bewusst erfasst er Unvollkommenheiten, die sich nach dem christlichen Glauben als Folge und Strafe für die Sünde des Menschen über die Schöpfung wie zerstörerischer Mehltau gelegt haben. Die Erkenntnis der Unvollkommenheit und des Schlechten ist ihm möglich, weil er in seinem Herzen das Bild des Vollkommenen, des Guten trägt, das ihn immer herausfordert wie eine Erinnerung an das, was er nach Gottes Willen eigentlich sein soll.
Im Angesicht der Unvollkommenheit der Welt kann er zwar in Resignation oder Trotz dem Guten versagen und sich mit dieser Unvollkommenheit auch selbst zu „entschuldigen“ versuchen, da ihn ja bei der Erreichung des Zieles der Vollkommenheit ja tatsächlich vieles behindert. Dennoch kann er die absolute Forderung des Guten und des Wertvollen nie aus seinem Herzen verdrängen oder einfach aus der Welt schaffen!
Das Gute fordert heraus, es will vollbracht werden. Wenn der Mensch in der durch das Böse und seine Folgen verunstalteten Welt erkennen muss, dass in vielen Bereichen die Vollkommenheit fehlt und er oft nur eine relative Verbesserung der Missstände, aber nicht ihre vollkommene Überwindung erreichen kann, dann ist dies nicht Ausdruck dafür, dass er nur relativ denken könnte oder dass es nur relativ „Gutes“ oder „Wertvolles“ gibt, sondern im Gegenteil: Die mehr oder weniger schmerzhafte Erkenntnis unserer eingeschränkten Möglichkeiten zeigt, dass wir nie losgelöst vom Maßstab des absolut Guten denken und so auch die relative Güte nur als Abglanz der absoluten Güte und Vollkommenheit erkennen und beurteilen können.
In der Frage nach dem rechten sittlichen Handeln kann sich der Mensch der Herausforderung der Frage nach dem absolut Guten und damit nach dem Absoluten, nach Gott, nicht entziehen. Das deutsche Wort „Gott“ enthält ja schon sprachgeschichtlich und von der Wortverwandtschaft die Frage nach dem „Guten“ in sich.
Heute wird oft versucht, Religion nur mehr als kulturelle Tradition zu deuten und zu leben, d.h. sie nicht mehr als wirkliche Rückbindung an den absolut Guten, an Gott und damit auch an die absolute Wahrheit, zu verstehen. Ein solcher modernistischer, aus dem Relativismus gespeister „Glaube“ ist in Wirklichkeit unfruchtbarer, irrationaler Traditionalismus, weil er die ernsthafte Frage nach der Wahrheit ausklammert und so wirkliche Umkehr und Bemühung um das Gute und die Wahrheit gar nicht mehr anstrebt. Religion soll nicht mehr Absolutheit im Hinblick auf das Handeln oder Erkennen beanspruchen dürfen.
Ohne es offen zu sagen, soll der Mensch damit Religion als ein bloßes soziales, innerweltliches Tun verstehen. Er soll sich lösen von Gott! Damit ist aber der Sinn von Religion aufgelöst, auch der Sinn von Kirche. Sie wird zu einem weltlichen Club, dem man nur zufällig angehört und zu dem man nur rein innerweltlich, gefühlsmäßig gewisse Zuneigung hat, den man theoretisch aber auch nach Bedarf wechseln könnte, was man aber nur deshalb unterlässt, weil man halt immer schon bei diesem Club war, wie es ja auch bei Fußballfans so üblich ist.
Letztlich wird aber nicht nur der Sinn von Religion und Kirche aufgelöst, sondern der Sinn des menschlichen Lebens überhaupt, weil es von seiner absoluten Verwurzelung, von der absoluten Verankerung der Vernunft losgelöst werden soll!
Die Gefahr eines Erstarrens in unfruchtbarem „Traditionalismus“ geht somit vom Modernismus und vom Relativismus aus, wo man auf wirkliche Überzeugung oder auf die bedingungslose Liebe zur Wahrheit verzichten zu können meint und so höchstens noch aus „Tradition“ an einer gewissen religiösen oder sittlichen Praxis festhält.
Hingegen stellt das aufrechte und offene Interesse an der wirklichen Offenbarung Gottes, auch wenn es von manchen als „engstirnig“ oder „irrational“ verschrieen wird, letztlich den wahrhaft rationalen, vernunftgemäßen, Zugang zur Wirklichkeit dar und ermöglicht so wahres Leben in immer größerer Vollendung und damit auch wahren Fortschritt der Menschen. Nur in dieser Haltung, im aufrechten Suchen und Bekennen Gottes, des Lebendigen, in der Bemühung um die wirkliche Erfüllung Seines Willens erschließt sich der wahre und geistliche Reichtum des Lebens, den nur Gott wirkt und dem Menschen als Seinem Ebenbild schenken kann.
Bei der Bemühung um die Wahrheit sollte sich der Mensch aber nicht zu sehr auf seine eigenen Kräfte und Fähigkeiten verlassen. Nur Gott kann Seiner Schöpfung und auch dem einzelnen Menschen wieder jene heilige Vollkommenheit zurückgeben, die seit der ersten Sünde verloren gegangen ist, eine Vollkommenheit, die nur in Gottes Liebe ihren Quell und ihre Vollendung finden kann. Diese vollkommene Liebe Gottes hat uns Jesus Christus geschenkt und geoffenbart und uns aus einem Leben in der Sünde wieder zu einem neuen, heiligen, Leben in Seiner Liebe berufen. In der Nachfolge Christi wird uns so Licht, Wahrheit und Sinn für unser Leben geschenkt. Der Christ ist nicht mehr Gefangener der Sünde und der menschlichen Begrenztheit oder Unzulänglichkeit, sondern trotz aller menschlichen Schwachheit ist ihm in der Liebe Christi die Kraft geschenkt und damit auch die Aufgabe gestellt, diese Grenze zu sprengen und zu übersteigen.
In Glaube, Hoffnung und Liebe handelt der Mensch nicht mehr aus seinem eigenen, schwachen oder kranken Geist, sondern im Heiligen Geist, der das Geschöpf wieder zu seinem Schöpfer emporhebt und es zu dem werden lässt, was Gott ursprünglich mit Seiner Schöpfung und mit dem Geschenk der Freiheit an den Menschen gewollt hat: wahre Vollkommenheit in der Gemeinschaft wahrer Liebe.
Mit den Worten „Bekehrt euch, denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt. 4,17) beginnt Jesus deshalb Seine Predigt hier auf Erden. Bekehrung meint eine fortdauernde Hinwendung zur Wahrheit, die ja in ihrer Wurzel nicht nur abstrakt-theoretisch, sondern Gott selbst - und somit heiliger Wille – ist. Es geht dabei auch um eine immer klarere Erforschung unseres Gewissens, ohne die wir den Weg zur wahren Liebe, wie sie Gott für Seine Geschöpfe gewollt hat und wie Er sie ihnen auch schenken will, nicht finden.
In dieser Bekehrung beginnt das Reich Gottes, das Himmelreich, hier auf Erden wirklich zu werden. Bekehrung ist notwendig, weil das Himmelreich nur als Geschenk der Liebe Gottes möglich ist und auch wir uns dieser Liebe öffnen sollen.
Die Bekehrung schließt die Ehrfurcht vor Gott mit ein, weil ohne Ehrfurcht wahre Liebe nicht möglich ist. Wer Gott, aber auch den Nächsten liebt, handelt mit Ehrfurcht. Die Ehrfurchtslosigkeit kann daher nicht Kennzeichen der wahren Kirche Gottes sein, ebenso wenig die Verachtung und Verfolgung der kirchlich-apostolischen Tradition, die uns die Verbindung mit Christus erhält und ermöglicht.
Wer die Wahrheit liebt, kann Gott und die Offenbarung Seiner Liebe in Jesus Christus nicht verachten. Er kann nicht dazu schweigen, wenn Ehrfurchtslosigkeit oder gar Blasphemie selbst in Kirchen Einzug hält und gleichzeitig der überlieferte Glaube zusammen mit seinen Ausdrucksformen, die ja Zeugnis vom apostolischen Glauben ablegen, bekämpft und verboten wird.
Wahrer Gehorsam im sittlichen und religiösen Sinn ist nur dort, wo er wirklich aus Liebe zu Gott gelebt wird, wo er nicht unbarmherzig oder unsittlich oder gar gotteslästerlich ist. Christen sind heute in diesem Sinn oft vor ähnliche Herausforderungen wie die Apostel damals gestellt. Doch wie die Apostel konnten und können sie immer nur die eine Antwort geben: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apg. 5,29; vgl. 4,19).
Jesus hat Seinen Jüngern einen klaren Weg gezeigt und auch eingeschärft, dass nur dort sittliches und damit gottgefälliges, wahres Leben möglich ist, wo wirklich Gottesliebe im Mittelpunkt steht und wo wirklich Seinem Gebot, nicht menschlichen Vorschriften, der erste Platz eingeräumt wird (vgl. Mk:7,9). Im wahren Glauben geht es also nicht um ein nur schein-heiliges, totes, Hängen an irgend welchen „Überlieferungen“, das ohne wahre Liebe und Treue zu Gott wertlos oder sogar gefährlich wird und vom wahren Leben in Gott wegführt.
Die wahre Kirche Jesu liebt jedoch die apostolische Überlieferung des Glaubens, sie achtet und pflegt sie, weil nur in dieser Überlieferung des Glaubensvollzugs die lebendige Verbindung mit Christus und damit mit Gott möglich ist.
So wollen und können auch wir uns nicht durch einen lebens- und wahrheitsfeindlichen Modernismus von der Quelle der Wahrheit und der Erkenntnis der Liebe Gottes abschneiden lassen. Nicht nur, weil wir für die wahre Freiheit in der Wahrheit eintreten und uns gegen die Unbarmherzigkeit der heute weit verbreiteten modernistischen Intoleranz wehren müssen, sondern weil wir in lebendiger Beziehung mit Christus leben wollen.
Es ist schwer zu sagen, welche Opfer wir in der Nachfolge Christi in der Treue zu Ihm zu bringen veranlasst werden. Wir dürfen aber darauf vertrauen, dass Er unsere Treue stärken und mit Seiner Treue belohnen wird. Selbst wenn wir schwach werden, so ist Gott doch treu, Er bleibt unsere Stärke!
Ohne Jesus Christus, der durch Seine Liebe das Licht der Welt ist und der uns in Seiner Gnade das wahre Leben schenkt, wäre die Welt finster, und ohne die wahre Erlösung von der Sünde bliebe das Leben wert- und sinnlos. Bitten wir Ihn um Seine Hilfe und um Seine Kraft, so kann Er beginnen, in und durch uns zu wirken und so das Reich Gottes in unseren Herzen und damit auch in der Welt, in der wir leben, Wirklichkeit werden zu lassen.
Maria und die Heiligen haben sich in dieser Weise dem Wirken des Heiligen Geistes in ihren Seelen geöffnet und so selbst durch ihr Leben ein wertvolles Zeugnis für die Liebe Gottes ablegen dürfen. Sie mögen für uns bitten und uns begleiten, damit der Heilige Geist auch in uns Wunder der Gnade, der Freude, der Liebeund der Erkenntnis wirken kann, in uns, aber durch uns auch in den Herzen unserer Mitmenschen, damit die Sonne der Liebe Gottes über uns aufgehen und Gottes Reich erscheinen kann, selbst wenn der Kampf noch andauert!

Thomas Ehrenberger

 

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